Was ist das Katharsis Konzept, dem unsere Chronik auch ihren Namen verdankt?

Die Katharsis Chronik hat ihren Namen aus einem bestimmten Grund. Und dieser liegt im Namen selbst: Eine tragische Figur zu spielen, den Vampir, ermöglicht es dem Darsteller die Höhen und Tiefen dieses Charakters auf eine sehr intensive Weise zu erleben. Anschließend kann er befreit davon zurück in sein Alltagsleben zurückkehren.

Rollenspiele bieten die sichere Umgebung einer fiktiven Spielwelt. Hier können die Darsteller alles ausprobieren, was im realen Leben nicht möglich bzw. gesellschaftlich verpönt ist: Einen leidenschaftlichen Streit beginnen, sich Zorn hingeben und mit ganzer Kraft brüllen, hinterhältig agieren, aus Spaß an der Freude den Ruf anderer zerstören, sich im eigenen Leid suhlen, eine Revolution gegen das Establishment starten und vieles mehr.

Unsere Spielwelt ist nicht real. Deshalb haben die Aktionen der Charaktere keinen negativen Einfluss auf das Alltagsleben der Darsteller. Dies gibt die Sicherheit, all die Extreme abseits des Alltagslebens auszuprobieren. So ist es möglich, eine große Bandbreite von Emotionen zu erleben und darin aufzugehen.

 

Aristoteles, die Tragödie, und die Katharsis

Aristoteles definiert die Tragödie ganz kurz zusammengefasst als die Darstellung einer Handlung, die Mitleid und Furcht hervorruft. Dies bewirkt eine Reinigung (Katharsis) von derartigen Emotionen.

Das Tragische an der Tragödie ist dabei, dass die Betroffenen keine Lust auf das Leid haben und sich auch nicht freiwillig dazu entscheiden zu leiden. Stattdessen steht, etwas vereinfacht gesagt, am Höhepunkt der Tragödie die Wahl zwischen zwei brachialen Niederlagen: Verliere Deine Macht oder Deine Liebe, verliere Deine Moral oder Deine Zukunft. Das Tragische kann seine Lösung nur in Tränen finden. Eine inhaltliche Auflösung mit Happy End ist im Tragischen nicht möglich.

Dies ist auch das Katharsis Konzept für unser Spiel: Der Vampire kann in den entscheidenden Momenten nur zwischen Niederlagen wählen. Eine ausschließlich gute Wahl gibt es nicht.

 

Das Katharsis Konzept: Vom Theater zum Rollenspiel

Im Theater kann das Publikum mit den Figuren mitfühlen, mitleiden und mittrauern. Allerdings: Niemand ist einer dargestellten Figur näher als der Darsteller selbst. Dies machen wir uns im Vampire Live zunutze.

Diese erlebte Nähe zur Figur gilt insbesondere, wenn der Darsteller die Momente der Katastrophe nicht immer wieder geübt hat. Nur ohne voriges Einstudieren können ihn Ereignisse überraschen und tief berühren. Das Überraschungselement intensiviert die Elemente des Horrors.

Die Charaktere in unserem Spiel sind alle so angelegt, dass sie in sich den Kern der Tragödie tragen. Jeder Vampir hat einen inneren Konflikt, der ihn immer wieder mit der Wahl zwischen zwei schlechten Entscheidungen konfrontiert. Zugleich gibt es für ihn keine Möglichkeit seiner Situation zu entkommen – er ist bis an sein Ende in seinem tragischen Dasein als Vampir gefangen.